Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln 1996
Die Stadt ist das erste Kulturgut des Menschen. Die Art, in der die gesammelten Kulturleistungen ihrer Epochen einen Ausdruck finden, ist der Spiegel des städtischen Selbstverständnisses. Die Bebauung des Wettbewerbgebietes reicht zurück bis in die Zeit der römischen Stadtanlage. Gemeinsam mit der benachbarten Kirche St. Peter bildet St. Cäcilien – heute Heimat des Schnütgen-Museums mittelalterlicher Sakralkunst – die letzte in Köln erhaltene Kirchenfamilie, die sich durch das Nebeneinander von Stifts- und Pfarrkirche auszeichnet. Der Entwurf zur Museumserweiterung sieht die Einrichtung eines langgestreckten Platzes unmittelbar vor der Westfassade St. Cäciliens vor. Durch die Rahmung des Platzes mithilfe eines Laubengangs erinnert dieser an das im mittelalterlichen Kirchebau anzutreffende ‚Paradies’, das als Atrium dem Westportal vorgelagert wurde. Von dort aus sind neben dem Neubau des Rautenstrauch-Joest-Museums für Völkerkunde und dem Schnütgen-Museum weitere, bis zu viergeschossige Ausstellungs- und öffentliche Bauten zugänglich. Diese docken als einzelnstehende Baukörper an den Platz an. So ähnelt der Plan nicht zufällig der von Camillo Sitte zur Bedeutung freier Plätze inmitten der Stadt angeführten Zeichnung des Forums von Pompeji: Hier wie dort ist der Platz dem öffentlichen Leben zugeeignet. Im Falle des Wettbewerbsbeitrags bildet die romanische Kirche die Dominante des Gefüges, und der geschichtlich bedeutsame Ort im Kern der Stadt wird deren Kultur gewidmet. Neben der Präsentation historischer Exponate bekommt auch das zeitgenössische Kunstschaffen seinen Ort – das ‚Forum’ führt beides zusammen. Durch die kritische Revision der Wettbewerbsvorgabe, sämtliche Nutzungen in einem Gebäude unterzubringen, gelingt es dem Architekten, ein dem Raum der Stadt verschriebenes Ensemble einzurichten. Nicht ein (überdimensioniertes) solitäres Gebäude ist das Maß seiner Arbeit, sondern der Platz des öffentlichen Lebens und dessen adäquate bauliche Einfassung.
Text von Rainer Schützeichel
Projekt: Rautenstrauch-Joest-Museum
Anmerkung/en: [Wettbewerb: Entwurf]
Ort: Köln
Jahr: 1996 - 1996
Mitarbeit: Gerd Sieren, Stefanie Schmand