Die Deutsche Botschaft in Wien führt Kanzlei und Residenz in einer baulichen Anlage vor Ort zusammen. Neben der allgemeinen Wahrnehmung politischer Aufgaben etabliert die Botschaft in Österreich ein stellvertretendes Territorium im Ausland, einen repräsentativen Ort in Vertretung der Bundesrepublik Deutschland. An die Architektur stellt sich von daher der Anspruch, Geschichte und Kultur des Herkunftslandes in angemessener Weise zu verräumlichen und darzustellen. Auf der topologischen Ebene ergibt sich die eigentliche Anforderung an den Entwurf, da sich die Architektur einerseits vor Ort auf den nahen Kontext der Stadt einlässt und sich andererseits aber auf den fernen Ort eines benachbarten Landes bezieht.
Das Botschaftsgelände liegt im Südosten der Wiener Innenstadt im 3. Bezirk. Die weitgehend geschlossene, überwiegend gründerzeitliche Blockrandbebauung des Quartiers prägt die Räumlichkeit des Ortes. Der Block und seine Transformation werden zum Ausgangspunkt des Entwurfes: Die nördlich bestehende Bebauung zur Strohgasse erhält mit dem anschließenden, kompakten Querriegel in Ost-West-Richtung, der die bilaterale Kanzlei und die OSZE-Vertretung aufnimmt, einen räumlich wirksamen Abschluss. Auf der Südseite dieser Binnenbegrenzung des Blockes entsteht ein großzügiger, städtischer Garten, in dem die Residenz als freistehende Villa ihren repräsentativen Platz einnimmt. Die Trennung von Amtssitz und Wohnsitz des Botschafters findet auf dem Grundstück im Binnenareal des Blockes mit dem abschließenden Querbau und der eingestellten Villa eine architektonische Entsprechung. Städtebaulich ergibt sich mit der Anlage des Gartens in der kompakten Dichte des Quartiers so auch eine Erweiterung, die der einprägsamen räumlichen Situation Rechnung trägt.
Äußere und innere Fassaden der Botschaftsgebäude und der erweiternden baulichen Anlagen zeigen eine durchgängige Gliederung aus Pfeiler und Gebälk. Die dahinter zurücktretenden Öffnungen, Lauben und Loggien, Fenster und Nischen bringen eine Porosität der Wände hervor, die mittels Licht und Schatten als ein filigranes, plastisches Gewebe erscheint, das Räume und Formen ganz umschließt. Über die Räumlichkeit ihrer Wände vermittelt die Architektur den repräsentativen Charakter des Öffentlichen, mit anderen Worten der Offenheit im Anschluss an die lokale Räumlichkeit der Stadt. Mit der räumlichen Struktur und den Elementen „Pfeiler und Gebälk“ stellt die Architektur die einheitliche Erscheinung der baulichen Anlage sicher, ohne dabei auf eine differenzierte Durchbildung funktionaler Anforderungen zu verzichten. Breite, Höhe und Tiefe der die Räume repräsentierenden Öffnungen sind variabel angelegt. Das Bauen auf der Grundlage proportionaler räumlicher Module und formaler Elemente stellt nicht nur eine pragmatische Vorgehensweise dar, vielmehr kann sich nur so das vielschichtige bauliche Ganze als organismischer Zusammenhang vorstellen...
Projekt: Deutsche Botschaft Wien - Neubau von Kanzlei und Residenz
Anmerkung/en: [Wettbewerb: Entwurf, Modell]
Ort: Wien
Jahr: 2015 - 2016